Psychotherapie

verfasst von Anke Gerhardt

Befürchtungen

Befürchtungen

„Ich befürchte, eine Verpflichtung einzugehen, aus der ich nicht ohne weiteres wieder aussteigen kann.“

Bei der ersten Teilnahme an einem Gruppentreffen können Sie prüfen, ob die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der Gruppe zu Ihnen passen. Insofern ist jeder Teilnehmer frei, sich für oder gegen eine weitere Teilnahme zu entscheiden. Auch danach können Sie die Gruppe wieder verlassen, falls äußere Umstände (Umzug, Arbeitswechsel, Familienereignisse usw.) oder innere Umstände dies nötig machen. Dann ist ein Abschied von den anderen Gruppenmitgliedern erforderlich, damit diese Klarheit über Ihr Fortbleiben haben. Aber bitte geben Sie nicht gleich bei einer einzigen etwas schwierigen Situation auf, denn oft handelt es sich um lösbare Missverständnisse.

„Ich befürchte, dort jemanden zu treffen, mit dem ich nicht klar komme.“

Im Allgemeinen herrscht in den Gruppen eine freundliche, offene Stimmung als Arbeitsgrundlage.

Wie in jeder Schulklasse gibt es in der Therapie-Gruppe wahrscheinlich Menschen, die Ihnen mehr oder auch weniger nahe stehen. Sie können sich dann einfach an diejenigen halten, zu denen Sie den besten Draht haben. Freundschaften können und dürfen entstehen, sind aber keine Voraussetzung für ein fruchtbares Arbeiten. Oft gibt es Telefonate oder Treffen von Gruppenteilnehmern außerhalb der Gruppenstunde während der Gruppenlaufzeit und darüber hinaus. Es ist aber auch ganz in Ordnung, die Kontakte auf die Gruppenstunde hier zu beschränken.

„Ich befürchte, dass jemand etwas davon weitererzählt, was ich in der Gruppe sage.“

Alle sitzen in demselben Boot und keiner möchte, dass über ihn Gerüchte in die Welt gesetzt werden oder dass gelästert wird. Um das den Teilnehmern bewusst zu machen, unterschreiben alle zu Beginn eine Verschwiegenheitserklärung, um sich gegenseitig zu schützen und sich selbst geschützt fühlen zu können. In der ersten Gruppenstunde besprechen wir miteinander diese und weitere Leitlinien der gruppeninternen Kommunikation.

„Ich befürchte, mich zu blamieren.“

Falls aber jemand weinen muss, darf dies geschehen, und meist kommen dann spontan aus der Gruppe oder von mir Trost und Stützung. Falls jemand einen Wutausbruch hat, werden wir auch das zunächst einmal zulassen und zu verstehen versuchen, bevor wir beruhigen und alternative Handlungsmöglichkeiten überlegen. Falls jemand eine Angstattacke hat, stottert, errötet, schwitzt, ein Blackout hat…, darf auch das geschehen, und wir lernen miteinander, dass dies kein Weltuntergang ist und von anderen oft weit weniger schlimm empfunden wird als von einem selbst. Falls ein(e) GruppenteilnehmerIn etwas sagt, was sie/er hinterher bereut oder das einen anderen verletzt hat, besteht die Möglichkeit, dies gleich oder beim nächsten Mal anzusprechen und zu korrigieren.

„Ich befürchte, mich nicht öffnen zu können.“

Lassen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, wird es gehen. Es gibt keine Normen dafür, wann und wie weit Sie sich öffnen sollten.

„Ich befürchte, mir von dem Kummer der anderen zu viel anzunehmen.“

In einer Gruppe findet insofern ein Austausch statt, als man nicht nur von den Schwierigkeiten der anderen etwas mitbekommt, sondern auch von deren Erfolgen und Stärken. Die Gruppe soll aber keine „Klage-Runde“ sein, in der jeder nur seinen Schmerz und seine Unzufriedenheit darstellt, sondern es geht um das Beobachten, wie andere ihre Probleme überwinden. Dies kann auch den Beobachtern Mut machen, die eigenen Aufgaben anzupacken.

Es ist schön, wenn Sie sich gut in andere Menschen hinein versetzen können. Aber jeder muss seine Lasten selbst tragen, und die Fähigkeit, das eigene Päckchen zu tragen, können wir den anderen zutrauen. Im Gegenteil: wenn Sie anderen zu viel abnehmen wollten, würden Sie Ihnen damit auch das Erfolgserlebnis nehmen, ihr Leben selbst in den Griff bekommen zu haben. Hingegen können Sie andere auf deren Wegen ermutigen und auf Stolpersteine hinweisen und dabei trotzdem auf dem eigenen Weg bleiben.

„Ich befürchte, dass andere mich ablehnen oder ausschließen.“

Von eigenen Schwierigkeiten, Schwächen, Misserfolgserlebnissen zu erzählen, wird von vielen Menschen als risikoreich angesehen. Sie befürchten, dass diese Offenheit vielleicht in späteren kritischen Situationen von unfreundlichen Zeitgenossen ausgenutzt werden könnte. Aber ohne Vertrauen an der richtigen Stelle kann man auch keine Hilfe erfahren oder neue Erfahrungen machen. In den Leitlinien zur Kommunikation in der Gruppe wird von vornherein deutlich gemacht, dass kein Gruppenmitglied von anderen Gruppenmitgliedern offen oder subtil abgewertet werden darf. Als Gruppenleiterin werde ich aber notfalls zum Schutz der Angegriffenen einschreiten, sobald ich dies bemerke. Um die vereinbarten Therapieziele zu erreichen, brauchen wir eine vertrauensvolle Atmosphäre in der Gruppe.